Fast alle Eilanträge gegen Covid-19-Beschränkungen werden von Gerichten abgelehnt
Wir haben gleich zu Beginn darauf hingewiesen, dass Rechtsschutz gegen die Corona-Verordnungen aussichtslos sein würde, da es sich um eine politische Grundentscheidung von einem so erheblichen Ausmaße handelt, dass die Gerichte jedenfalls in einer summarischen Prüfung den Regierungen der Länder und der Bundesregierung nicht „reingrätschen“ würden. Seit einigen Wochen legt die Krise das Leben in Deutschland lahm. Viele Bürger und Geschäftsleute wollen sich das nicht bieten lassen und versuchen sich mit Eilanträgen gegen die Beschränkungen zu wehren. Beate Bahner ist dabei die prominenteste Vertreterin, wohl auch deshalb weil sie durch das Ganze emotional sehr mitgenommen wurde. Ihr Eilantrag wies handwerkliche Fehler auf und wurde vom Bundesverfassungsgericht deshalb nicht angenommen. Hier geht es zum Volltext des Beschlusses
Natürlich wäre es schöner gewesen, hätte Frau Kollegin Bahner sich eines Verfassungsjuristen bedient. Die nachfolgende Übersicht über die Ablehnungsentscheidungen anderer Obergerichte führt aber vor Augen, dass auch ein einwandfrei formulierter Antrag wohl abgelehnt worden wäre, da Frau Bahner pauschal die Verfassungswidrigkeit aller Maßnahmen bestritt. Teilweise haben Beschwerden aber auch Erfolgt. Wer eine Demo durchführen möchte, der kann das juristisch auch in Zeiten von Corona durchsetzen!
Das OVG Münster lehnte einen Eilantrag gegen die Schließung von Einzelhandelsgeschäften ab. Eine Firma aus Dortmund, die in ihrem Geschäft Haushaltswaren und Geschenkartikel vertreibt, hatte sich dagegen gewehrt. Einige Juristen hatten insbesondere auch bemängelt, dass das IfSG keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage biete. Das OVG Münster setzt sich mit diesem Problem wie folgt auseinander:
„Die angegriffene Vorschrift genügt nach diesen Maßgaben den Anforderungen des Bestimmtheitsgebots aus Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG. § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 IfSG enthält keine danach unzulässige Globalermächtigung für den Verordnungsgeber. Zwar ist die Regelung als offene Generalklausel ausgestaltet, um den Infektionsschutzbehörden bzw. über den Verweis in § 32 Satz 1 IfSG dem Verordnungsgeber ein möglichst breites Spektrum an geeigneten Schutzmaßnahmen zu eröffnen.
Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 ‑ 3 C 16.11 ‑, juris, Rn. 24.
Denn der Gesetzgeber ist bei Erlass der (Vorgänger-)Regelung davon ausgegangen, dass sich die Fülle der Schutzmaßnahmen, die bei einem Ausbruch einer übertragbaren Krankheit in Frage kommen können, nicht von vornherein übersehen lässt. Allerdings hat er unter anderem bereits mit der nur beispielhaften Aufzählung in § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG, wonach unter den Voraussetzungen von Satz 1 Veranstaltungen und sonstige Ansammlungen von Menschen beschränkt oder verboten und Badeanstalten oder in § 33 genannte Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon geschlossen werden können, deutlich gemacht, dass in Konkretisierung der mit der Generalklausel eröffneten Handlungsmöglichkeiten auch weitreichende Maßnahmen gegenüber der Allgemeinheit in Betracht kommen. Denn § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 und Satz 2 IfSG stehen nach dem Willen des Gesetzgebers nicht in einem Spezialitätsverhältnis; vielmehr können alle notwendigen Schutzmaßnahmen auf die Generalklausel des § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 IfSG gestützt werden. Die in Satz 2 beispielhaft genannten Schutzmaßnahmen werden lediglich gesondert erwähnt, um einerseits ihre erhebliche Bedeutung hervorzuheben und andererseits Verstöße gegen vollziehbare Anordnungen insoweit strafrechtlich ahnden zu können (vgl. § 75 Abs. 1 Nr. 1 IfSG).
Vgl. zum Ganzen BT-Drs. 8/2468, S. 11, 27 f. zur Vorgängerregelung des § 34 BSeuchG, und BT-Drs. 14/2530, S. 16, 74 f.; dazu eingehend Bay. VGH, Beschluss vom 30. März 2020 – 20 CS 20-611 -, juris, Rn. 11 ff., 16.
Dass nach Inhalt und Zweck der Ermächtigung in § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 IfSG grundsätzlich auch Geschäftsschließungen als eine mögliche Schutzmaßnahme verordnet werden können, ist vor diesem Hintergrund unzweifelhaft. Dafür spricht, dass (Einzelhandels-)Betriebe mit Publikumsverkehr den in Satz 2 der Vorschrift ausdrücklich genannten Veranstaltungen und sonstigen Zusammenkünften insoweit ähneln, als dass sie ebenso wie diese Anziehungspunkte für Menschen an einem begrenzten Ort sind und damit ein besonderes Risiko für die Weiterverbreitung einer von Mensch zu Mensch übertragbaren Krankheit darstellen.“
Hier geht es zum Volltext der Entscheidung
Am 09.04.2020 hat ein Versammlungsteilnehmer in Bayern vor dem VGH München teilweise Recht bekommen, indem er eine Ausnahmegenehmigung für einen Umzug beantragte, welcher von der Stadt München falsch beschieden wurde. Dabei ging es um die Genehmigung einer Versammlung unter freiem Himmel mit maximal 10 namentlich bekannten Teilnehmern am 09.04.2020 zwischen 16 und 19 Uhr in München zum Thema ‚Versammlungsfreiheit auch während der Corona-Krise schützen‘. Dies hatte die Stadt zunächst abgelehnt und war durch den Beschluss des VG München v. 09.04.2020 (M 26 E 20.1506) mit Blick auf die infektionsschutzrechtliche Gefahrenlage bestätigt worden. Zwei in diesem Zusammenhang beim BVerfG gestellte Eilanträge scheiterten. Jedoch hatte die gegen den Beschluss des VG München erhobene Beschwerde zum BayVGH (20 CE 20.755) teilweise Erfolg: Zwar habe der Antragsteller keinen Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung (keine Ermessensreduktion auf Null); er habe jedoch einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung und das VG München habe in dem angefochtenen Beschluss dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit nicht ausreichend Rechnung getragen:
„Jedoch hat das Verwaltungsgericht dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit in dem angefochtenen Beschluss nicht ausreichend Rechnung getragen, weil es zur Begründung der Versagung der Ausnahmegenehmigung nicht auf ein (infektionsschutzrechtlich bedenkliches) Verhalten der Versammlungsteilnehmer, sondern ausschließlich auf das Verhalten Dritter und auf infektionsschutzrechtliche Gefahren abstellt, die sich aus – während der Geltungsdauer der BayIfSMV – verbotenen Verhaltensweisen ergeben können (vgl. § 4 Abs. 2, 3 Nr. 7 BayIfSMV). Zugunsten des Antragstellers ist im Lichte des Art. 8 Abs. 1 GG maßgeblich zu berücksichtigen, dass er die erstrebte Versammlung mit der beabsichtigten Meinungsäußerung in sinnvoller Weise nur während der Geltungsdauer der BayIfSMV durchführen kann.
Die Antragsgegnerin wird zu prüfen haben, ob aus infektionsschutzrechtlichen Gründen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats die Erteilung des Genehmigungsbescheides unter Auflagen möglich ist. Dabei hat sie zu berücksichtigen, ob den dargestellten Infektionsgefahren beispielsweise durch Abstandsregelungen,
Umzäunung und Kenntlichmachung des Versammlungsgeländes und/oder die Begleitung durch Polizei begegnet werden kann.
Der Senat geht in dem hier vorliegenden Einzelfall aufgrund der Angaben des Antragstellers zur Teilnehmerzahl, zur Art und Weise (statische Versammlung – kein Umzug, Einhaltung der Hygienemaßgaben) sowie nach eigener Kenntnis der örtlichen Verhältnisse am Versammlungsort davon aus, dass es der Polizei möglich sein wird, im Rahmen einer mit entsprechenden Auflagen versehenen Genehmigung den Eintritt infektionsschutzrechtlicher Gefahren durch Menschenansammlungen zu unterbinden.“
Diese Entscheidung ist insbesondere für politische Parteien wichtig, die während der Krise nicht untätig erscheinen wollen. Die Versammlungen müssen klein gehalten werden und können entsprechend trotz Verbot durchgeführt werden – freilich mit erheblichem juristischem Aufwand. Dieser muss von vornherein einkalkuliert werden. Hier geht es zum Volltext
RA Dubravko Mandic und stud. jur. Philip Stöcker
update 16.04.2020 14:20 der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 15.04.2020 liegt auf ganz auf der Linie des VGH München:
„Auf der Grundlage dieser unzutreffenden Einschätzung hat die Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens Art. 8 Abs. 1 GG verletzt, weil sie verkannt hat, dass § 1 der Verordnung der Versammlungsbehörde für die Ausübung des durch § 15 Abs. 1 VersG eingeräumten Ermessens gerade auch zur Berücksichtigung der grundrechtlich geschützten Versammlungsfreiheit einen Entscheidungsspielraum lässt. Der Bedeutung und Tragweite des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 8 Abs. 1 GG konnte sie schon deshalb von vornherein nicht angemessen Rechnung tragen. Darüber hinaus wird die Entscheidung der Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens den verfassungsrechtlichen Maßgaben des Art. 8 Abs. 1 GG auch deshalb nicht gerecht, weil sie über die Vereinbarkeit der Versammlung mit § 1 der Hessischen Verordnung nicht unter hinreichender Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls entschieden hat. Die Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens macht überwiegend Bedenken geltend, die jeder Versammlung entgegengehalten werden müssten und lässt auch damit die zur Berücksichtigung von Art. 8 Abs. 1 GG bestehenden Spielräume des § 1 der Verordnung leerlaufen.“ Volltext der Entscheidung hier