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Von den Rechtsgrundlagen politischer Justiz im Falle von Amokläufen

Die Amokläufe von Halle und Hanau aus strafprozessualer Sicht

von RA Dubravko Mandic und RA Roland Ulbrich

 

  1. Hanau und Halle

 

Bei den Anschlägen in Hanau wurden am 19. Februar 2020 in der hessischen Stadt Hanau zehn Personen ermordet. Der Täter erschoss neun Personen in und vor zwei Shishabars und auf der Fahrt zwischen beiden Orten. Später wurden er und seine Mutter in der Wohnung seiner Eltern tot aufgefunden. Der Generalbundesanwalt zog die Ermittlungen wegen Terrorverdachts an sich, da „gravierende Indizien für einen rassistischen Hintergrund“ vorlägen und meldete der Presse: „Die Bundesanwaltschaft hat heute (20. Februar 2020) gegen 4:00 Uhr die Ermittlungen wegen des Anschlagsgeschehens am 19. Februar 2020 in Hanau übernommen.“ Einen Tag später wurde das BKA mit Ermittlungen beauftragt, welches sogleich volle Gefechtsbereitschaft im Kampf gegen Rechts meldete. Flankiert von Mahnwachen der Zivilgesellschaft stellten sogenannten Rechtsextremismusforscher einen Bezug zur AfD und einigen ihrer Vertreter her. Die strafprozessuale Einordnung einer Tat, steht in solchen Fällen in direktem Zusammenhang zu ihrer schnell einsetzenden Instrumentalisierung gegen den politischen Gegner und Konkurrenten und verdient daher eine besondere strafrechtliche Würdigung.

Ende März meldeten einige Zeitungen das BKA arbeite an einem Abschlussbericht zu Hanau und sei darin zu dem Schluss gekommen, der Täter von Hanau sei kein Rechtsextremist gewesen. Wohl auf politischen Druck musste das BKA dies relativieren. Jedenfalls aktuell findet sich zu dem Bericht auch nichts mehr auf der Netzseite des BKA. Drei Tage schwieg das BKA nach Erscheinen der Behauptungen. Dann dementierte den Artikel der SZ der Präsident des BKA Holger Münch: „Einen solchen Bericht gibt es derzeit nicht. Die Ermittlungen dauern an. Das BKA bewertet die Tat als eindeutig rechtsextremistisch.“ Offensichtlich verlief aus Sicht der linken Presse die Arbeit an dem Bericht in einer Weise, die den politischen Zweck des Berichts und der juristischen Aufarbeitung der Tat hätte gefährden können. Die von der SZ ausgelösten Berichte übten Druck auf das BKA aus und kamen einer Grätsche gleich.

Die Einordnung der Taten des Amokläufers von Halle bereiten hingegen weniger Schwierigkeiten was die Einordnung als rechtsextrem angeht. Am 9. Oktober 2019 versuchte Stephan Balliet in die Synagoge im Paulusviertel einzudringen, um dort versammelte Personen zu töten. Nachdem ihm dies auch mit Waffengewalt nicht gelungen war, erschoss er vor dem Gebäude eine Passantin und kurz darauf den Gast eines Döner-Imbisses. Auf seiner Flucht verletzte er zwei Personen durch Schüsse und wurde schließlich von zwei Streifenbeamten festgenommen. Datum, Ziel und die antisemitischen Motive der Tat hatte er zuvor im Internet bekanntgegeben. Die Tat übertrug er per Helmkamera als Live-Streaming. Auch hier schaltete sich sogleich der Generalbundesanwalt ein und meldete am 10. Oktober 2019 auf seiner Netzseite, dass er Haftbefehl beantragt habe. Im April 2020 hat er jetzt offiziell Anklage gegen den Stephan Balliet (28) vor dem OLG Naumburg erhoben – wegen zweifachen Mordes und neunfachen Mordversuchs. Wieso eigentlich vor dem OLG? Das OLG Naumburg erwähnt die Anklage noch nicht in seinen aktuellen Pressemeldungen. Prozessual befindet sich die Sache jetzt im Zwischenverfahren. Die Anklage muss erst noch zugelassen werden, der Angeklagte kann noch Einwendungen erheben.

 

2. Zuständigkeit des Generalbundesanwalts bei Amokläufen

In ihren Pressemitteilungen geht die Bundesbehörde überhaupt nicht auf die Zuständigkeitsproblematik ein. Alle Beteiligten, insbesondere die regierungsnahe Presse, Funk und Fernsehen, sind mit der konkludenten Qualifizierung der Taten als Terror im weitesten Sinne zufrieden. Da dieser Terror aber nicht einem diffusen und vielleicht fernen Phänomen wie dem islamischen Extremismus zugerechnet, sondern der bedeutendsten parlamentarischen Oppositionspartei in der Bundesrepublik ideologisch aufgebrummt werden soll, ist die prozessuale Weichenstellung in erster Linie politischer Natur. Auf der Netzseite heißt es lapidar: „Die Bundesanwaltschaft schützt unsere demokratische Grundordnung, indem sie terroristische Straftaten verfolgt und zur Anklage bringt.“

Als Amok (von malaiisch amuk „wütend“, „rasend“) werden tateinheitliche und anscheinend wahllose Angriffe auf mehrere Menschen in Tötungsabsicht bezeichnet, bei denen die Gefahr, selbst getötet zu werden, zumindest in Kauf genommen wird.

Die Tat des Amokläufers ist der exzessive Ausdruck des Bedürfnisses nach Anerkennung, während der terroristische Attentäter an der Anerkennung eines Ideals interessiert ist. Weiter kann man unter Amok einen egozentrischen und unpolitischen Gewaltakt verstehen. Amokläufe werden in den Massenmedien als persönlich und damit nicht politisch motivierte Gewaltakte eines psychisch gestörten Täters (re)konstruiert und kolportiert, wogegen Terroristen sich selbst als Freiheitskämpfer sehen.

Trotzdem ist die Unterscheidung zwischen Terror und Amoktat manchmal schwierig, die Übergänge sind fließend. Psychologe Jens Hoffmann sagt: „Es ist nicht immer leicht zu entscheiden, was zuerst kam: der Gedanke, ich will ein Terrorist sein oder ich will meinen Frust loswerden.“ Der Fall des Anschlags in einer Regionalbahn bei Würzburg wurde z. B. von Innenminister Thomas de Maizière „im Grenzgebiet zwischen Amoklauf und Terror“ angesiedelt. Wer entscheidet bei Grenzfällen?

a) Wo eine Straftat verhandelt wird, von welchem Richter darüber geurteilt wird, das bestimmt sich in der Bundesrepublik nach dem Gerichtsverfassungsgesetz. Dieses ist einerseits Teil des Verfassungsrechts (Art. 92-104, ferner 30, 31 GG), andererseits konkrete Grundlage für das Strafverfahrensrecht. § 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) beginnt mit dem Ideal der richterlichen Unabhängigkeit:

„Die richterliche Gewalt wird durch unabhängige, nur dem Gesetz unterworfene Gerichte ausgeübt.“

Diese wird in der BRD für die kleineren Delikte von den Amtsgerichten, für die mittlere und schwere Kriminalität von Landgerichten und für die Staatsschutzdelikte von den Oberlandesgerichten ausgeübt. Jeder Jurastudent denkt bei Mord zunächst an das Landgericht und dort an die Schwurgerichtskammer. Die (sehr seltene) erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberlandesgerichte, die insbesondere in gravierenden Staatsschutzsachen, namentlich in Fällen des Terrorismus, die Gerichtsbarkeit des Bundes ausüben, ist in § 120 GVG geregelt. Jedes Gericht hat seine sachliche Zuständigkeit gemäß § 6 StPO in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen und die Sache gemäß § 270 Abs. 1 Satz 1 StPO dann, wenn es die Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung für begründet hält, durch Beschluss an das zuständige Gericht zu verweisen. Eine Verweisung nach unten findet also im Grundsatz nicht statt. Bei § 120 GVG ist das anders. Hier prüft das OLG sehr wohl seine Zuständigkeit und lässt die Anklage nicht zu, sondern verweist sie an das Landgericht, wenn die Voraussetzungen des § 120 GVG nicht gegeben sind.

 

b) Zuständigkeit des OLG Naumburg nach § 120 Abs 2 GVG iVm § 74a Abs. 2 GVG

Grundsätzlich sind Staatsschutzdelikte auch beim Landgericht angesiedelt. Dort bestehen nach § 74a Abs. 1 Staatsschutzkammern für Straftaten wie des Friedensverrats in den Fällen des § 80a des Strafgesetzbuches, der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates in den Fällen der §§ 84 bis 86, 87 bis 90, 90a Abs. 3 und des § 90b des Strafgesetzbuches, der Gefährdung der Landesverteidigung in den Fällen der §§ 109d bis 109g des Strafgesetzbuches, der Zuwiderhandlung gegen ein Vereinigungsverbot in den Fällen des § 129, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, des Strafgesetzbuches und des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 des Vereinsgesetzes; dies gilt nicht, wenn dieselbe Handlung eine Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz darstellt, der Verschleppung (§ 234a des Strafgesetzbuches) und der politischen Verdächtigung (§ 241a des Strafgesetzbuches). Nach Abs. 2 derselben Norm entfällt die Zuständigkeit des Landgerichts, wenn der Generalbundesanwalt wegen der besonderen Bedeutung des Falles vor der Eröffnung des Hauptverfahrens die Verfolgung übernimmt, es sei denn, daß durch Abgabe nach § 142a Abs. 4 oder durch Verweisung nach § 120 Absatz 2 Satz 3 die Zuständigkeit des Landgerichts begründet wird. Wie bereits erwähnt hat der Generalbundesanwalt gleich einen Tag nach den Taten von Halle die Sache an sich gezogen, indem er einfach Haftbefehl beantragte. Übernimmt der Generalbundesanwalt die Verfolgung vor der Eröffnung des Hauptverfahrens, wird das Oberlandesgericht zuständig. Dieses überprüft allerdings den unbestimmten Rechtsbegriff der „Bedeutung der Sache“ selbstständig und umfassend. Wenn es die Bedeutung der Sache verneint, verweist das OLG das Verfahren mit der Eröffnungsentscheidung an die Staatsschutzkammer, wenn diese nach Abs. 1 zuständig ist (Abs. 2 iVm § 120 Abs. 2 S. 2) (MüKoStPO/Schuster, 1. Aufl. 2018, GVG § 74a Rn. 6) E

Welche Bedeutung hat der Anschlag von Halle? An die Bejahung der „besonderen Bedeutung“ sind grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen; sie ist anzunehmen, wenn es sich unter Beachtung des Ausmaßes der Rechtsgutsverletzung um ein staatsgefährdendes Delikt von erheblichem Gewicht handelt, das die Schutzgüter des Gesamtstaates in einer derart spezifischen Weise angreift, dass ein Einschreiten des Generalbundesanwalts und eine Aburteilung durch ein Bundesgerichtsbarkeit ausübendes Gericht geboten ist (BGH 53, 128, 140).

Auch der Fall Baillet Fall eignet sich, grundlegende Erörterungen zum sog. Evokationsrecht des GBA anzustellen. Hierbei werden fundamentale föderale Strukturen des Grundgesetzes berührt, denn dort ist die Justiz grundsätzlich als Sache der Länder vorgesehen. Um eine Bundeskompetenz zu begründen, bedarf es daher mehr als eines besonders schweren Falls, es müssen die Interessen des Bundes nachhaltig berührt sein (Safferling NStZ 2009, 610). Politik und Strafrecht stehen in einem ambivalenten Verhältnis zueinander. Strafrecht als ultima ratio eines rechtsstaatlichen Rechtsgüterschutzes soll die Grundnormen für das Funktionieren der Gesellschaft schützen. Insofern muss Strafrecht von schnelllebigen politischen Entscheidungen frei sein (Safferling NStZ 2009, 610).

Es hängt jetzt vom OLG Naumburg ab, ob die besondere Bedeutung der Taten bejaht wird. Es hängt ganz davon ab, wie politisch unabhängig die Richter dort agieren und ob sie ggf. in der Lage sind, dem medialen Druck – kurz vor der Pensionierung – stand zu halten. Die Bejahung der besonderen Bedeutung des Falles von Halle erscheint abwegig. Es ist die Tat eines Irren. Wie der Bestand des Bundes dabei gefährdet gewesen sein soll erscheint fraglich. Die Entscheidung wird aber in einem Klima gefällt werden, wo jede Sekunde von den Medien dazu aufgerufen wird die Demokratie zu retten. Jeder Wahlerfolg der AfD gefährdet aus dieser Perspektive den Bestand des Bundes und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.

Wird die besondere Bedeutung verneint, bliebe nur noch eine Zuständigkeit nach § 120 Absatz 2 Nummern 2 0der 3 der Norm:

Eine Zuständigkeit besteht ferner bei Mord (§ 211 des Strafgesetzbuches), Totschlag (§ 212 des Strafgesetzbuches) und den in § 129a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 des Strafgesetzbuches bezeichneten Straftaten, wenn ein Zusammenhang mit der Tätigkeit einer nicht oder nicht nur im Inland bestehenden Vereinigung besteht, deren Zweck oder Tätigkeit die Begehung von Straftaten dieser Art zum Gegenstand hat, und der Generalbundesanwalt wegen der besonderen Bedeutung des Falles die Verfolgung übernimmt,

3.

bei Mord (§ 211 des Strafgesetzbuchs), Totschlag (§ 212 des Strafgesetzbuchs), erpresserischem Menschenraub (§ 239a des Strafgesetzbuchs), Geiselnahme (§ 239b des Strafgesetzbuchs), schwerer und besonders schwerer Brandstiftung (§§ 306a und 306b des Strafgesetzbuchs), Brandstiftung mit Todesfolge (§ 306c des Strafgesetzbuchs), Herbeiführen einer Explosion durch Kernenergie in den Fällen des § 307 Abs. 1 und 3 Nr. 1 des Strafgesetzbuchs, Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion in den Fällen des § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuchs, Missbrauch ionisierender Strahlen in den Fällen des § 309 Abs. 1 bis 4 des Strafgesetzbuchs, Vorbereitung eines Explosions- oder Strahlungsverbrechens in den Fällen des § 310 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Strafgesetzbuchs, Herbeiführen einer Überschwemmung in den Fällen des § 313 Abs. 2 in Verbindung mit § 308 Abs. 2 und 3 des Strafgesetzbuchs, gemeingefährlicher Vergiftung in den Fällen des § 314 Abs. 2 in Verbindung mit § 308 Abs. 2 und 3 des Strafgesetzbuchs und Angriff auf den Luft- und Seeverkehr in den Fällen des § 316c Abs. 1 und 3 des Strafgesetzbuchs, wenn die Tat nach den Umständen geeignet ist,

 

a)

den Bestand oder die Sicherheit eines Staates zu beeinträchtigen,

b)

Verfassungsgrundsätze der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben,

c)

die Sicherheit der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Truppen des Nordatlantik-Pakts oder seiner nichtdeutschen Vertragsstaaten zu beeinträchtigen oder

d)

den Bestand oder die Sicherheit einer internationalen Organisation zu beeinträchtigen,

 

und der Generalbundesanwalt wegen der besonderen Bedeutung des Falles die Verfolgung übernimmt.

 

Der Täter von Halle war zwar über das Internet mit anderen, wohl anonym agierenden Surfern, vernetzt. Jedoch verseht der Gesetzgeber unter einer internationalen Vereinigung etwas anderes. Am ehesten ließe sich noch eine Einordnung nach § 120 Abs. 2 Nr. 3 a rechtfertigen, jedenfalls wurde dies in einem Islamistenfall schon einmal so vom Bundesgerichtshof bestätigt: Der nach § 120 II 1 Nr. 3a GVG erforderliche spezifisch staatsgefährdende Charakter des Delikts ist insbesondere dann zu bejahen, wenn die Tat der Feindschaft des Täters gegen das freiheitlich-demokratische Staats- und Gesellschaftssystem der Bundesrepublik entspringt und er seine Opfer nur deshalb auswählt, weil sie dieses System als Amtsträger oder in sonstiger Weise repräsentieren, oder ohne jeden persönlichen Bezug lediglich deshalb angreift, weil sie Bürger oder Einwohner der Bundesrepublik Deutschland sind oder sich im Bundesgebiet aufhalten, Beschluss vom 24. 11. 2009 – 3 StR 327/09 (OLG Düsseldorf)

3. Weisungsgebundenheit der Staatsanwälte

Das OLG Naumburg ist schon deshalb aufgerufen, die Anklage an das Landgericht zu verweisen, um der zunehmenden politischen Einflussnahme auf die Justiz und vor allem die Staatsanwaltschaft entgegen zu treten. Der prominenteste Fall einer politischen Weisung durch die Politik ist der Fall Range. Im Mai 2015 leitete die Generalbundesanwaltschaft unter Range auf der Basis von zwei Strafanzeigen des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Hans-Georg Maaßen, vom Februar bzw. April desselben Jahres ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Landesverrat gegen die Journalisten Markus Beckedahl und Andre Meister vom Blog netzpolitik.org ein. Diese hatten als „Verschlusssache (VS-VERTRAULICH)“ eingestufte Dokumente zu einer geplanten Ausweitung der Überwachungskapazitäten des BfV im Bereich der sozialen Medien in dem Blog in vollem Umfang veröffentlicht. Damit hatten sie und andere Unbefugte Kenntnis von vertraulichen Dokumenten.

Nachdem dies am 30. Juli 2015 publiziert worden war, teilte Range einen Tag später mit, dass seitens der Generalbundesanwaltschaft von „möglichen Exekutivmaßnahmen“ vorerst abgesehen und zunächst ein externes Gutachten erstellt werde, welches klären solle, ob überhaupt Staatsgeheimnisse veröffentlicht wurden. Die vorläufige Aussetzung der Ermittlungsmaßnahmen habe er bereits im Mai angeordnet, das Gutachten sei dann Mitte Juni in Auftrag gegeben worden. Am 4. August 2015 teilte Range per Presseerklärung mit, Bundesjustizminister Heiko Maas habe ihn angewiesen, das „Gutachten sofort zu stoppen und den Gutachtenauftrag zurückzuziehen“. Dieser Weisung habe er Folge geleistet. Er erklärte zusätzlich: „Auf Ermittlungen Einfluss zu nehmen, weil deren mögliches Ergebnis politisch nicht opportun erscheint, ist ein unerträglicher Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz.“ In einer Pressekonferenz warf er Maas vor, er wolle das Gutachten zurückhalten, weil sein Inhalt politisch nicht opportun sei und den Vorwurf des Landesverrates stütze. Maas’ Behörde erklärte, sie habe Range nicht „nach Kenntnis der vorläufigen Bewertung des externen Gutachters die Anweisung erteilt, den Gutachtenauftrag zurückzuziehen“. Vielmehr sei die Rücknahme des Auftrags an den Gutachter mit dem Generalbundesanwalt „gemeinsam verabredet“ worden, und zwar ohne Kenntnis des möglichen Inhalts des Gutachtens. Am selben Tag versetzte Maas Range in den einstweiligen Ruhestand.

Tatsächlich sind die Staatsanwaltschaften in der Bundesrepublik überhaupt nicht unabhängig, wie dies von Range behauptet wurde. Das Weisungsrecht gegenüber Staatsanwälten ist ein verfassungsrechtliches Relikt aus preußischer Zeit. Der Vorgang um Range belegt, dass von diesem Weisungsrecht selbstredend auch Gebrauch gemacht wird. Das sollte man sich bei jedem prominenten Fall vor Augen halten.