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Bezeichnung zweier Polizeibeamter als Faschisten und Rassisten strafbar? Freispruch vor einem südbadischen Amtsgericht

An einem Morgen war der Mandant zu seiner Ex-Freundin, um bei ihr befindliche Gegenstände heraus zu verlangen. Diese befanden sich bei ihr, seit der Mandant über zwei Jahre in Haft gesessen war. Ihm wurde jedoch nicht geöffnet. Stattdessen erklärte die Ex, sie wolle mit ihm nicht reden.
Daraufhin rief der Mandant die Polizei, die sich seiner Meinung nach um die Rückgabe bzw. um etwaige Entschädigungszahlungen kümmern sollte. Seitens der vor Ort erschienen Polizeibeamten wurde Ihm erklärt, dass es sich hier um rein zivilrechtliche Forderungen handele. Er wurde
ferner aufgefordert zu gehen. Ferner beschuldigten ihn die Beamten psychisch krank zu sein und drohten ihm, ihn in das Auto und dann die Psychiatrie zu packen. Es wurde auch ein Platzverweis ausgesprochen. Hierauf soll der Mandant gegenüber den beiden Polizeibeamten die Worte: „Erdogan hat recht. Ihr seid Faschisten und Rassisten.“ geäußert haben.
Es erging ein Strafbefehl über 60 Tagessätze a 10 EUR, also 600 EUR Geldstrafe.
Über die Kanzlei für Meinungsfreiheit – Rechtsanwalt Dubravko Mandic – wurde rechtzeitig Einspruch eingelegt. In der heutigen Verhandlung räumte der Mandant ein, die Beamten als Faschisten bezeichnet zu haben. Er war emotional aufgewühlt, weil er gerade erst nach über zwei Jahren aus der Haft gekommen war. Er wollte normal mit der Ex reden. Die Beamten wollte er nicht beleidigen, aber er verstand auch nicht wieso ihm von ihnen nicht geholfen wurde.

Der angehende Staatsanwalt hatte in der Pause seine Vorgesetzten angerufen, um zu fragen, ob eine Zustimmung zur Einstellung erteilt werden könne. Dies wurde verneint.

Die Staatsanwaltschaft plädierte auf 60 Tagessätze zu 25 EUR, also 1.500,00 EUR Geldstrafe wegen Beleidigung. Rechtsanwalt Dubravko Mandic beantragte Freispruch und verwies auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Exemplarisch wurden folgende Entscheidungen hervorgehoben:

1. BVerfG, Beschluss vom 08. 02. 2017 -1 BvR 2973/14 – (Obergauleiter), in: NJW 2017, 1460
2. BVerfG, Beschluss vom 19.05. 2020 -1 BvR 1094/19 – (Verfassungsbeschwerde – Bezeichnung Finanzminister als „rote Null“)

1.Im November 2011 demonstrierten Mitglieder einer im rechten Spektrum einzuordnenden Gruppierung in einem Stadtteil von Köln. Der Beschwerdeführer war Versammlungsleiter der ordnungsgemäß angemeldeten Demonstration und bediente sich zur Weitergabe seiner Anordnungen und Informationen eines Lautsprechers.
Diese Demonstration war ihrerseits Anlass für zahlreiche Gegendemonstranten, ihre Empörung gegen den Aufzug zu äußern. Zu diesem Zweck war unter anderem auch ein Bundestagsabgeordneter der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor Ort. Die Gegendemonstranten blockierten den Demonstrationszug und brüllten Parolen wie „Nazis raus“, zeigten den Demonstrationsteilnehmern den sogenannten „Stinkefinger“ und setzten auch zeitweise Sirenen ein, um die – über den Lautsprecher verbreiteten – Wortbeiträge der Demonstrationsteilnehmer zu stören. Das Landgericht hat als wahr unterstellt, dass der Bundestagsabgeordnete an der Gegendemonstration teilgenommen hatte, um die Durchführung des Aufzuges aktiv zu verhindern, er sich bei den vor Ort tätigen Polizeibeamten informiert und den Teilnehmern der Gegendemonstration geraten hatte, die Blockade fortzusetzen, sowie die Teilnehmer der vom Beschwerdeführer durchgeführten Veranstaltung mehrfach wörtlich und sinngemäß als „braune Truppe“ und „rechtsextreme Idioten“ bezeichnet hatte. Der Demonstrationszug konnte wegen der Gegendemonstration die geplante Route nicht einschlagen.
Es kam zu Gesprächen zwischen dem Beschwerdeführer und den Polizeibeamten. Als der Beschwerdeführer die Versammlungsteilnehmer unter anderem über die Gespräche mit der Polizeiführung informierte, erkannte er den Bundestagsabgeordneten und äußerte sich über diesen wie folgt:

„Ich sehe hier einen aufgeregten grünen Bundestagsabgeordneten,
der Kommandos gibt, der sich hier als Obergauleiter der SA Horden,
die er hier auffordert. Das sind die Kinder von Adolf Hitler.
Das ist dieselbe Ideologie, die haben genauso angefangen.“

Der Bundestagsabgeordnete stellte Strafantrag wegen Beleidigung.

Ich habe diese Entscheidung herausgegriffen, weil es thematisch auf den Fall meines Mandanten passte. Ich argumentierte iÜ, dass der Vorwurf Faschist oder Rassist zu sein, heute inflationär gebraucht wird, gerade auch gegenüber Polizisten und Behörden, denen Linke strukturellen Rassismus unterstellen. Folgende Passage aus dem Beschluss habe ich in eigenen Worten in meinem Plädoyer erläutert:

„Zu beachten ist hierbei indes, dass Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen schützt, sondern gerade Kritik auch pointiert, polemisch und überspitzt erfolgen darf; insoweit liegt die Grenze zulässiger Meinungsäußerungen nicht schon da, wo eine polemische Zuspitzung für die Äußerung sachlicher Kritik nicht erforderlich ist (vgl. BVerfGE 82, 272 <283 f. >; 85, 1 <16>). Einen Sonderfall bilden hingegen herabsetzende Äußerungen, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen. Dann ist ausnahmsweise keine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht notwendig, weil die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurücktreten wird (vgl. BVerfGE 82, 43 <51>;90, 241 <248>; 93, 266 <294>). Diese für die Meinungsfreiheit einschneidende Folge gebietet es aber, hinsichtlich des Vorliegens von Formalbeleidigungen und Schmähkritik strenge Maßstäbe anzuwenden (vgl. BVerfGE 93, 266 <294>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. Juni 2016-1 BvR 2646/15 -, juris). Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik von Verfassungs wegen eng zu verstehen. Auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Eine Äußerung nimmt diesen Charakter erst dann an, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern – jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik – die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (vgl. BVerfGE 82, 272 <283 f. >; 85, 1 <16>; 93, 266 <294>). Sie liegt bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vor und ist eher auf die Privatfehde beschränkt (vgl. BVerfGE 93, 266 <294>). Die Annahme einer Schmähung hat wegen des mit ihr typischerweise verbundenen Unterbleibens einer Abwägung gerade in Bezug auf Äußerungen, die als Beleidigung und damit als strafwürdig beurteilt werden, ein eng zu handhabender Sonderfall zu bleiben.“

2. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsbeschwerde – Bezeichnung des Finanzministers als „rote Null“ – war in der Begründung noch ausführlicher und deswegen noch ergiebiger für mein Plädoyer. Denn bekanntlich haben sich Amtsträger mehr an pointierter Kritik gefallen zu lassen als etwa Normalsterbliche. Gerade mein Mandant hatte es in der Vergangenheit zudem oft ganz hautnah mit der Staatsgewalt zu tun und wurde auch für über zwei Jahre seiner Freiheit beraubt. Das Bundesverfassungsgericht würdigt diese Belange unter dem Stichwort der Machtkritik:

„Bei der Gewichtung der durch eine Äußerung berührten grundrechtlichen Interessen ist zudem davon auszugeben, dass der Schutz der Meinungsfreiheit gerade aus dem besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik erwachsen ist und darin unverändert seine Bedeutung findet (vgl. BVerfGE 93, 266 <293>). Teil dieser Freiheit ist, dass Bürger von ihnen als verantwortlich angesehene Amtsträger in anklagender und personalisierter Weise für deren Art und Weise der Machtausübung angreifen können, ohne befürchten zu müssen, dass die personenbezogenen Elemente solcher Äußerungen aus diesem Kontext herausgelöst werden und die Grundlage für einschneidende gerichtliche Sanktionen bilden (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 12. Mai 2009 -1 BvR 2272/04 -, Rn. 38). In die Abwägung ist daher einzustellen, ob die Privatsphäre des Betroffenen oder sein öffentliches Wirken mit seinen – unter Umständen weitreichenden – gesellschaftlichen Folgen Gegenstand der Äußerung ist und welche Rückwirkungen auf die persönliche Integrität des Betroffenen von einer Äußerung ausgehen können (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 8. April 1999 -1 BvR 2126/93 -, Rn. 31).“

Das Plädoyer hat seine Wirkung erzielt und der Mandant wurde freigesprochen. Der Richter hat sich große Mühe gegeben den Fall unter allen erdenklichen Gesichtspunkten zu würdigen. So zog er etwa auch das Polizeigesetz und die Strafprozessordnung heran, um darzulegen, dass die Beamten Unrecht hatten, als sie dem Mandanten vor Ort mitteilten, sein Herausgebeverlangen an die Ex sei nur eine rein zivilrechtliche Angelegenheit. Der Richter erklärte, dass der § 2 Abs. 2 PolG BaWü insofern nicht einschlägig war.

„(2) Der Schutz privater Rechte obliegt der Polizei nach diesem Gesetz nur auf Antrag des Berechtigten und nur dann, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und wenn ohne polizeiliche Hilfe die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert wird.“

Diese Vorschrift, mit der sich Beamte Arbeit vom Hals halten können, ist indes nicht einschlägig, wenn Straftaten im Raume stehen. Tatsächlich nämlich hatte der Mandant seine Ex bereits ein Jahr zuvor wegen der Unterschlagung seiner Wertgegenstände, darunter auch Goldmedaillen im Boxen, angezeigt. Der anwesende Beamte hatte die Ex dazu sogar vernommen. Er wusste also genau um was es geht, meinte aber das sollten besser mal die Anwälte unter sich ausmachen.

Im Hinblick darauf, dass der Mandant also gar nicht so Unrecht hatte, erschien seine Verärgerung und letztlich die Beschimpfung der Beamten als gerade noch so von der Meinungsfreiheit gedeckt.

Viele werden denken das sei alles viel Aufwand für eine kleine Geldstrafe. Wenn ein Vorbestrafter aber zurück ins normale Leben möchte, darf er sich nichts mehr zu Schulden kommen lassen und er muss mehr noch als früher um sein Recht kämpfen.

YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=K6MHbl6EAFI&t=1s

 

Für weitere Informationen, kontaktieren Sie gern die Rechtsanwaltskanzlei Dubravko Mandic in Freiburg:
Rechtsanwalt Freiburg – Dubravko Mandic