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Politische Gefechtslage in der causa Kalbitz

Mein letzter Aufsatz „Juristische Gefechtslage in der causa Andreas Kalbitz“ hat vor allem die juristische Diskussion innerhalb der Partei beflügelt. Medial befeuert wird die Auseinandersetzung jedoch weit überwiegend politisch geführt. Es ist gar von Spaltung und Bruderkrieg die Rede. Meuthen selbst versucht die politische Dimension kleinzureden und ist dabei bestrebt, seinen Plan zur Spaltung und Einhegung der AfD als juristische Notwendigkeit erscheinen zu lassen. Tatsächlich dürften gerade Juristen entscheidende Schützenhilfe bei der Vorbereitung des Schlages gegen Kalbitz geleistet haben. Dies fiel mir erst heute auf. In meinem Aufsatz hatte ich eine wichtige Änderung der Bundessatzung übersehen, was zu folgender fehlerhafter Darstellung führte:

„Die aktuellen und oben zitierten Regelungen in § 2 der Bundessatzung sind auf Kalbitz gar nicht anwendbar. Die alte Regelung in § 2 der Bundessatzung vom 14.04.2013 ist auch nicht auf Kalbitz anwendbar, weil der schon um den 10.03.2013 in die AfD eintrat. Selbst wenn man die aktuelle Regelung gelten ließe: zuständig wäre nach § 2 Abs. 6 Satz nur der jeweilige Landesvorstand:

„Auflösende Bedingung ist die Feststellung des Verschweigens durch Beschluß des zuständigen Landesvorstands.“

Da der Bundesvorstand nicht zuständig war, könnte der brandenburgische Landesvorstand sich der causa annehmen und beschließen, dass die ins Auge gefasste auflösende Bedingung überhaupt nicht eingetreten ist.“

Zwei Tage sah sich Julian Flak veranlasst, selbst etwas zur causa Kalbitz zu äußern und eröffnete auf seiner Netzpräsenz auch gleich großspurig einen „Satzungsblog“, wobei Folge 1 eben „Der Widerruf der Mitgliedschaft in der AfD nach § 2 Abs. 6 der Bundessatzung“ heißen sollte (ob der Blog fortgeführt werden wird, wird sich ja zeigen). Mit Julian Flak schreibt nicht irgendein Parteimitglied, sondern jemand, der selbst schon im Bundesvorstand saß und seit 10/2017 Vorsitzender des Satzungsausschusses ist. Flak hat es zusammen mit Walczak von Hamburg aus verstanden, mit etwas Sachverstand und Chuzpe in wichtige Ämter gehievt zu werden. Als Sprungbrett diente ihm die Junge Alternative, als deren Vertreter er in den Bundesvorstand gewählt wurde. Walczak selbst galt anfangs in der JA als radikal, Flak eher moderat. Beide bedienten sich der Stimmen der Flügelanhänger, um über die JA Karriere zu machen. Flak schreibt in seinem Aufsatz, dass die Satzung der AfD in § 2 einem stetigen Wandel unterworfen gewesen, im wesentlichen Punkte aber, nämlich der Möglichkeit der Anfechtung, gleich geblieben sei. Was er nicht erwähnt ist etwas, was die Mehrheit der Delegierten wahrscheinlich auch gar nicht mitbekommen hatte: der Bundesvorstand war vor Braunschweig nämlich tatsächlich nicht zuständig für eine mögliche Anfechtung der Mitgliedschaft von Kalbitz, da der § 2 Abs. 6 damals noch wie folgt lautete:

(6)  Verschweigt ein Bewerber bei seiner Aufnahme in die Partei eine laufende oder ehemalige Mitgliedschaft in einer in Absatz 4 bezeichneten Organisation, gilt ein gleichwohl getroffener Aufnahmebeschluß als auflösend bedingt, mit der Maßgabe, daß der Wegfall der Mitgliedschaft erst ab Eintritt der Bedingung stattfindet. 2Auflösende Bedingung ist die Feststellung des Verschweigens durch Beschluß des zuständigen Landesvorstands. 3Gegen den Beschluss kann der Betroffene binnen zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses Klage beim zuständigen Schiedsgericht erheben. 4Die Klage hat keine aufschiebende Wirkung.“

 

Flak zitiert in seinem Blog aber nur die ganz neue Fassung und unterschlägt geflissentlich, dass die Erstreckung der Zuständigkeit für die Feststellung des Verschweigens (=Anfechtung) auf den Bundesvorstand, erst seit dem Bundesparteitag von Braunschweig, wo Kalbitz erneut in den Bundesvorstand gewählt worden war, gilt. Denn dort hatte eben jener Satungsausschuss, dem Flak seit Jahren vorsitzt, eine wichtige Satzungsänderung beantragt, die erst nach den Wahlen zum Bundesvorstand und am Sonntag abgestimmt wurde, als viele Delegierte schon abgereist waren:

Das wird Flak sicherlich nicht entgangen sein, dass er diesen Antrag eingebracht hatte. Offensichtlich ist er bestrebt Spuren zu verwischen. Der Satzungsausschuss präsentiert sich auf der Netzseite der AfD wie folgt:

„Der Satzungsausschuss kann durch die Organe der Bundespartei beauftragt werden, einzelne Regelungen des Satzungswerks oder eine Satzungsreform im größeren Umfang zu erarbeiten. Er erhält darüber hinaus ein Antragsrecht zur Änderung bundesrechtlicher Vorschriften gegenüber dem Parteitag.“

Der Satzungsausschuss ist überwiegend mit Flügelgegnern besetzt. Ich würde mich nicht wundern, wenn der Schlag gegen Kalbitz und den Flügel schon vor dem Bundesparteitag in Braunschweig geplant wurde. Vielleicht noch zu einer Zeit, als der Flügel mit Kalbitz Meuthens Wunschliste für das Europaparlament verhandelte. Politik ist immer und nicht erst seit Bismarck die Kunst des Möglichen. Natürlich ist es notwendig zeitweise Zweckbündnisse einzugehen.

Als Lucke sein wahres Gesicht zeigte und die AfD unter sein Diktat zwingen wollte, war es notwendig sich mit Petry zu verbünden, weil man sonst wohl nicht über 50 % Mitglieder hinter sich gebracht hätte. Diesselbe Frauke Petry legte aber gleich den nächsten Spaltpilz in die Parteispitze, indem sie darauf bestand, dass Meuthen, der immerhin eine FH-Professur vorzuweisen hatte und wie Lucke einfach „gegen rechts“ war, mit in den neuen Bundesvorstand gewählt wird. Alice Weidel wurde damals auch in den neuen Bundesvorstand gewählt. Sie war es dann, die das Ausschlussverfahren gegen Höcke maßgeblich voran trieb. Sie war es damit auch, die Höcke in ein Bündnis mit Meuthen zwang. Letzterer hatte sich in der Gedeonsache dermaßen überhoben, dass er jegliche Glaubwürdigkeit verloren hatte und einfach nur als inkompetenter Spalter galt. Begierig nahm er die Einladungen auf den Kyffhäuser zu den Flügeltreffen an, um sich etwas mehr patriotischen Anstrich zu verschaffen. Es ist ja auch nicht schwer. Man muss den gebeutelten Flüglern einfach nur einreden, dass man sie trotz allem als Teil der Partei betrachte. Als Frauke Petry sich ein Strafverfahren wegen Meineides einbrockte, preschte sie mit ihrem „Zukunftsantrag“ voran, der schon vor dem Parteitag von Köln keinerlei Aussicht auf Erfolg hatte. Sehenden Auges lief Petry in die Niederlage und schließlich aus der Partei – mit Mandat. Sie nahm nicht wie Lucke viele Anhänger mit. Aber ihr Geist und der von Lucke blieb stets erhalten und wirksam. Es geht immer nur um die Bekämpfung wirksamer nationaler Politik – mit praktisch austauschbaren Akteuren. Und wenn Meuthen sich jetzt wie zu erwarten wirklich überhoben haben sollte, dann wird sich wieder jemand finden, der den Job als Feindzeuge macht.

 

Nachtrag zur Satzungslage im Fall Kalbitz:

Flak schreibt außerdem, dass auf dem Gründungsparteitag im wesentlichen die Ursatzung aus dem Februar 2013 beschlossen worden sei. Auch das ist so nicht richtig. Der Bundeswahlleiter hatte nämlich Bedenken gegen die Ursatzung. Diese wurde deshalb vom Gründungsparteitag „annulliert“. Insoweit trat eine juristische Zäsur ein. Der Parteitag hat eben nicht allein die strittigen Paragraphen geändert, sondern die Satzung insgesamt annulliert.

Die Rechtslage ist zwar relativ eindeutig und zu Gunsten von Kalbitz. Wie dieser zu seinem Recht kommen soll ist allerdings nicht so eindeutig. Kalbitz muss auf eine einstweilige Anordnung hinwirken. Aus der schiedsgerichtlichen Praxis bei der AfD ist aber bekannt, dass unsere Gerichte in den seltensten Fällen einstweilige Anordnungen treffen, auch wenn die Schiedsgerichtsordnung solche vorsieht, § 20 Abs. 1 SGO:

„Das Schiedsgericht kann im Rahmen eines anhängigen Hauptsacheverfahrens jederzeit auf Antrag eine Einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass andernfalls die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers unmöglich oder wesentlich erschwert werden könnte.“

Kalbitz müsste also gleich in der Hauptsache auf Feststellung des Fortbestehens seiner Mitgliedschaft klagen und dazu die aufschiebende Wirkung seiner Klage beantragen.

Zuständiges Gericht:

Die Generalklausel der SGO in § 12 SGO greift im Fall Kalbitz nicht.

„(1) Die Anfechtung von Wahlen und von Beschlüssen von Parteiorganen ist zulässig binnen eines Monats nachdem der Antragsteller von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat oder bei Anwendung gewöhnlicher Sorgfalt hätte erlangen müssen, längstens aber ein halbes Jahr nach dem Tag der Wahl oder der Beschlussfassung.“

In seinem Fall greift die speziellere Frist des § 2 Abs. 6 Satz 3 Bundessatzung:

„Gegen den Beschluss kann der Betroffene binnen zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses Klage beim zuständigen Schiedsgericht erheben. Die Klage hat keine aufschiebende Wirkung.“

Die Zuständigkeit des Gerichts wird in den §§ 8 und 9 SGO geregelt. Eine Zuständigkeit des Landesschiedsgerichts nach § 8 scheint ersichtlich nicht zu bestehen. Es ist die Zuständigkeit des Bundesschiedsgerichts nach § 9 Nr. 3 SGO anzunehmen: „Das Bundesschiedsgericht ist zuständig für die Entscheidung über … 3. die Anfechtung sonstiger Beschlüsse von Organen des Bundesverbands, …“, freilich aber nur, wenn man § 2 der Bundessatzung als eine zulässige Regelung ansieht. Tatsächlich handelt es sich bei der Möglichkeit der Anfechtung von Parteimitgliedschaften um eine Umgehung von § 10 Abs. 4 PartG und entsprechende Beschlüsse sind als nichtig zu betrachten. Kalbitz täte gut daran den Beschluss des Bundesvorstands genau als das zu bezeichnen.

Nach meiner Rechtsauffassung wäre deshalb tatsächlich auch gleich das Landgericht Berlin erstinstanzlich zuständig. Dieses würde sich aber nicht mit einer Klage und auch keinem Eilantrag befassen. Es läuft also darauf hinaus, dass sich wohl das Bundesschiedsgericht mit der causa Kalbitz in Kürze befassen wird. Es gilt eine Frist von zwei Wochen, welche möglicherweise schon nächsten Freitag am 29.05.2020 abläuft, je nach dem, ob man die mündliche Verkündung des Beschlusses des Bundesvorstands am 15.05.2020 als Zustellung des Beschlusses im Sinne des § 2 Abs. 6 Satz 3 Bundessatzung gelten lassen möchte. Richtigerweise müsste es auf die schriftlich niedergelegten Gründe ankommen, zumal in der Presse nach der Verkündung streitig war worauf genau die Meuthen-Clique abgestellt hat, Mitgliedschaft bei den REPs oder bei der HDJ.

 

Das Bundesschiedsgericht hat seinen Sitz in Stuttgart. Seine Richter sollten deshalb vor allem auch folgenden beachtenswerten Beschluss des dortigen Oberlandesgerichtes kennen:

 

 

Dieser Beschluss ist unter zwei Aspekten interessant: zum einen sind danach Beschlüsse unserer Schiedsgerichte, welche im Rahmen einstweiligen Rechtsschutzes erlassen werden, erst dann vollstreckbar, wenn sie auf Antrag der den Beschluss erwirkenden Partei vom Oberlandesgericht für den Vollzug zugelassen werden, § 1062 Abs. 1 Nr. 3 ZPO.

Die Einstufung unserer Schiedsgerichte als Schiedsgerichte im Sinne der ZPO ist umstritten und nach herrschender Ansicht handelt es sich nicht um solche, sondern um Parteigerichte; die Bezeichnung als Schiedsgericht ist irreführend. Gleichwohl ist es hier nun aber mal das OLG Stuttgart, welches die Mindermeinung vertritt und diese dürfte deshalb für unsere Bundesschiedsrichter relevant sein.

Warum diese Frage im Weiteren äußerst relevant ist? § 339 StGB – Rechtsbeugung:

„Ein Richter, ein anderer Amtsträger oder ein Schiedsrichter, welcher sich bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei einer Beugung des Rechts schuldig macht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.“

Unsere Schiedsrichter werden es sich deshalb dieses Mal nicht so einfach machen können.

 

 

 

Dubravko Mandic

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Rechtsanwalt Freiburg – Dubravko Mandic